Manchmal ist es eine Geste, die den Lauf der Dinge ändert.

In Europa, in der Welt. Der Kniefall von Willy Brandt in Warschau: Die Bitte um Vergebung für die Verbrechen der Nazis, das Versprechen niemals zu vergessen und ein starkes Signal für Versöhnung und Dialog zwischen West und Ost, mitten im Kalten Krieg. Vor genau 50 Jahren ging dieses Bild um die Welt – und schrieb Geschichte.Polen war das erste Opfer einer gewaltsamen deutschen Besatzungsherrschaft im Zweiten Weltkrieg. Und es war in der Folge zentraler Schauplatz der Shoa, der beispiellosen Verbrechen der Nazis an Menschen jüdischen Glaubens. Mit Willy Brandt kam am 7. Dezember 1970 ein einstiger Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus nach Warschau, der erste sozialdemokratische Kanzler der Bundesrepublik. Vor dem Denkmal für den Aufstand im Warschauer Ghetto von 1943 kniete Brandt nieder, stumm, eine spontane Geste, wie er sich später erinnerte. Ein Bild, das um die Welt ging.„Am Abgrund der deutschen Geschichte und unter der Last der Millionen Ermordeten tat ich, was Menschen tun, wenn die Sprache versagt“, schrieb er 1989 in seinen „Erinnerungen“.Es war eine Bitte um Vergebung für die Verbrechen des Nationalsozialismus, stellvertretend für das gesamte deutsche Volk. Ausdruck für den Wunsch nach Aussöhnung. Aber es war auch ein Zeichen für Verständigung und Zusammenarbeit in der Zeit des Kalten Krieges. Ein Symbol für Willy Brandts Ostpolitik – Wandel durch Annäherung. Gemeinsam mit Egon Bahr war der Kanzler nach Polen gereist, um den Warschauer Vertrag zu unterzeichnen. Damit erkannte die Bundesrepublik Polens Westgrenze de facto an und beide Staaten erklärten ihre Bereitschaft zum gegenseitigen Gewaltverzicht.In der Bundesrepublik war der Kniefall damals nicht unumstritten. Vor allem die konservative Seite kritisierte die Geste als unangemessen. Heute ist hingegen unstrittig, dass sie eine wichtige Rolle spielte bei der Entspannung zwischen den Blöcken in den Folgejahren – letztlich auch eine wichtige Grundlage für den Fall der Mauer 19 Jahre später und für das Zusammenwachsen Europas.

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